"Du findest Pilze spannend und lecker, aber auch merkwürdig? Wir machen eine Stippvisite in die Welt der Pilze - mit mykologischen Küchentisch-Punkrock-Methoden im Gepäck. Wir werden Pilzkulturen anlegen, für die ihr nur ein paar Dinge aus dem Supermarkt und von eurem Dachboden braucht."
Diese Projekt ist eine Art Stadtpilze Light. Die Anleitung ist ausgerichtet auf maximale Niedrigschwelligkeit und erste Gehversuche im Anbau von Pilzen. Für tiefergreifende Informationen, mehr Hintergründe und Methoden mit höherem Ertrag und weniger Plastikverbrauch, schaut euch das Stadtpilze Projekt und vor allem das Handbuch an.
Wir züchten den Austernseitling (Pleurotus Ostreatus). Die Auster ist eine hervorragende Einstiegspilzart, weil sie schnell wächst, recht fehlertolerant ist und hervorragend schmeckt.
Wenn du Support möchtest, komm gerne in den Stadtpilze Matrix Chat oder schreib eine Email an (stadtpilze ät curious.bio)
May the spores be with you!
.Matthi
(matthias.cullmann ät curious.bio)
Übersicht | |
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1. | Grundsätzliches, Ablauf und Material |
2. | Herstellung der Vorkultur |
2. | Durchwachsphase (10-14 Tage) |
3. | Herstellung der Kultur |
4. | Durchwachsphase (7 Tage) |
5. | Einleitung der Fruchtung |
6. | Ernte |
In den letzten Jahren hat die Pilzzucht und die Mykologie, als Wissenschaft von den Pilzen, den Weg aus den professionellen Laboren und Farmen in die Küchen und Hobbyräume der Welt gefunden. In einer weltweiten Community an Pilzliebhaber:innen werden Methoden und Techniken zur Arbeit mit Pilzen entwickelt, die nicht auf teures Laborequipment angewiesen sind und auch unter einfachen Bedingungen, teilweise am Küchentisch durchführbar sind. Diese Techniken werden ständig weiterentwickelt und über das Internet geteilt. So hat sich Mykologie zu einer 'Citizen Science' entwickelt.
Die hier beschriebenen Techniken basieren auf unserem persönlichen Erfahrungswissen, sind von uns ausgewählt, lange erprobt und möglichst einfach gehalten, um einen leichten Einstieg in die Arbeit mit Pilzen zu ermöglichen. Bei Interesse finden sich im Internet etliche alternative Techniken und Verfeinerungen der Methoden.
Pilze sind Lebewesen und wie alles Lebendige hat auch die Arbeit mit Pilzen Aspekte von Unvorhersehbarkeit und Unkontrollierbarkeit. Es zeigen sich Launen, Schwankungen und Misserfolge, vor allem durch Kontamination. Hier können Pilze gute Lehrerinnen zu Gelassenheit sein. Eigentlich hilft es immer, abzuwarten und im Zweifelsfall neu anzufangen. Die angegebenen Wachstumszeiträume sind daher auch nur durchschnittliche Erfahrungswerte und dienen der groben Orientierung.
Pilze sind mikrobielle Lebewesen, die in Konkurrenz zu anderen Lebewesen wie Schimmelpilzen, Hefen, Viren und Bakterien stehen. Wenn die Konkurrenz schneller ist bei der Besiedelung des Materials, dann sprechen wir von Kontamination. Oder auch: "Es ist vergammelt!". Daher ist bei der Arbeit mit Pilzen auf eine gute Hygiene zu achten, um Kontamination mit anderen unliebsamen Organismen zu vermeiden.
Arbeite in einem sauberen Raum mit frischer, keimarmer Luft, wenig Staub, einer sauberen, desinfizierten Arbeitsfläche und frisch gewaschenen Händen.
Nutze saubere Arbeitskleidung, Mund-Nasenschutzmaske, Einweghandschuhe und reichlich Desinfektionsmittel für jede Arbeit mit lebendem Pilz.
Lass die Vorkultur und frisch gemischtes Material nur möglichst kurz mit Luftkontakt offen stehen.
Kontamination erkennst du an:
Gesundes Myzel ist rein weiß und riecht angenehm pilzig. Die Auster hat zudem einen süßlichen Bittermandelgeruch. Das Myzel erinnert vom Aussehen an Camembert Käse.
Durchsichtige große Plastik Box (IKEA Samla)
Desinfektionsmittel (z.B. 70% Alkohol) in Sprühflasche
Küchenrolle, Einweghandschuhe
Messer oder Cutterklinge
Microporetape oder atmungsaktives Pflaster
Ein Beutel Microwellen Express Reis "Natur" oder "Vollkorn"
Flüssigmyzel oder Sporen in einer Spritze (Bezug z.B. von Fachhandel, Kleinanzeigen oder einer Pilzfreund:in)
Im ersten Schritt arbeiten wir mit einer Still Air Box (SAB). Dies ist eine große Plastikbox, die mit der Öffnung nach unten auf der Kante einer sauberen Arbeitsfläche steht. In ihr wird gearbeitet, indem von unten die Hände über die Tischkante eingeführt werden. In ihr lässt sich relativ sauber arbeiten, weil sie Lufteintrag und damit Kontaminationseintrag minimiert und sich gut desinfizieren lässt.
1. Stelle alle benötigten Utensilien in die SAB und desinfiziere sie mit Desinfektionsmittel und einem Tuch.
2. Sprühe nun quer durch die SAB Desinfektionsmittel. Dies hat den Sinn, dass schwebende Partikel vom Desinfektionsmittel erfasst werden und zu Boden sinken.
3. Nach 3 Minuten Wartezeit kannst du in der SAB arbeiten
4. Arbeite zügig und sauber. Nutze reichlich Desinfektionsmittel. Alles was von aussen in die SAB eineführt wird, muss desinfiziert werden (incl. deiner Hände).
ist die SAB vorbereitet, kannst du loslegen und
1. Reisbutel leicht massieren um ihn aufzulockern
2. Die Spritze mit dem Flüssigmyzel aufschütteln und eine frische Kanüle aufstecken
3. 3 ml Flüssigkultur im oberen Bereich mittig in den Beutel injizieren.
4. Mit der Klinge um das Loch ein 5 cm langen horizontalen Schnitt in den Beutel machen.
5. Den Schnitt etwas aufspreizen - ohne das Innere zu berühren - und mit einem Streifen Micropore Tape bekleben, so dass ein Luftfilter entsteht.
Nun kann die Kultur durchwachsen. Dunkel, Ruhig, Bei 18-24°C. Nach 7 Tagen kannst du nachschauen und ggf. den Beutel massieren, damit werden Pilzklumpen aufgebrochen und gleichmäßig im Beutel verteilt. Das ist wichtig für das Durchwachsen. Nach ca. 14 Tagen sollte der Beutel komplett durchwachsen sein. Prüfe auch auf Kontamination.
Wenn wir den Beutel vergessen oder nichts weiter tun, wird die Auster aus dem Luftloch heraus fruchten. Leider wird es nicht viel Ertrag geben, da die Menge an Ursprungssupstrat sehr wenig ist und der Reis wenig Wasser und andere für den Pilz wichtige Nährstoffe enthält.
Um mehr Ertrag zu bekommen, gehen wir einen weiteren Schitt und stellen eine Kultur her.
Hier werden wir Stroh und Kaffee pasteurisieren und mit der Vorkultur vermischt. Danach wird die Kultur in das Behältnis gefüllt und dieses dann Luftlöchern versehen.
1. Topf säubern und desinfizieren. 750ml Wasser kochen.
2. Strohpellets abwiegen und in den Topf geben. Kaffeesatz dazu.
3. Mit 750ml kochendem aber nicht mehr sprudelndem Wasser aufgießen und Umrühren. Dann Deckel drauf setzen und mindestens 2 Stunden stehen lassen.
4. Temperatur checken. Ist es Handwarm auf unter 30 C abgekühlt?
5. Den durchwachsenen Beutel öffnen und mit Handschuhen den Reis aufkrümeln und unter das abgekühlte Substrat mischen.
6. Die Mischung in eine neue Plastiktüte geben, locker luftdurchlässig verschließen und alles in die Plastik-Obst-Box einpassen.
7. Mit einem desinfizierten Nagel 10 Löcher rundum durch die Box und die Tüte stechen. Diese dienen als Luftlöcher, damit der Pilz atmen kann.
Jetzt geht es wieder in die Durchwachsphase für ca. 1 Woche. Wieder bei Dunkelheit und 18-24 C. Regelmäßig auf Kontamination checken, jedoch nicht mehr massieren. Wenn alles gut durchwachsen ist, geht es weiter.
Der Pilz braucht Licht, Luft und Luftfeuchtigkeit um zu Fruchten.
Nach einiger Zeit wächst der Pilz aus den Luftlöchern raus. Er bildet Primordien, die schnell zur großen Pilzen heranwachsen.
Wichtig ist eine hohe Luftfeuchtigkeit! Wirken die Pilze trocken, muss du für Luftfeuchtigkeit sorgen, z.B. mit einem Ortswechsel oder indem du den Beutel mit einer Wassersprühflasche besprühst. Eine andere Möglichkeit ist es den Beutel in eine halb-offene Box zu stellen und diese von innen feucht zu halten.
Die Pilze sind erntereif, wenn der Hutrand gerade noch etwas eingerollt ist.